Esau blickte mich ängstlich an, aber Gott dem Herrn sei Dank blieb er stumm. Die heilige Familie hatte sich ganz dicht an mich und Esau gedrängt, damit wir sie wärmen. Das Jesuskind lächelte und schien so etwas wie Angst nicht zu kennen.
Soll das bereits das Ende des kommenden Königs der Welt sein? Das fragte ich mich ernsthaft und musste an die vielen Könige von Ascalon denken, von denen Joseph während der Reise erzählt hatte. Ascalon, die Stadt die wir aufsuchen wollten und die nur noch einen Tagesritt entfernt lag. Joseph sprach von nicht minder klingenden Namen, wie von den drei Königen aus dem Morgenland. Das ist bei Königen wohl so üblich, um so berühmter der König, umso unaussprechlich sein Name! Ich gebe das mal wieder, was Joseph sagte, aber ich bin mir nicht so sicher, ob alle Namen richtig wiedergebe, da ich ja nicht mehr der Jüngste bin: Mitinti, Rukubti, Zidqa, Scharruludari, Mittit…
Und wie Joseph berichtete, hat einer der alten Propheten diese Stadt verdammt und ihr den Flammentod gewünscht. Diese Stadt kannte Herrscher aus Babylon und Ägypten und der Phillister. Als Ascalon belagert und durch Feuer zerstört wurde, das war vor langer, langer Zeit, heute ist Ascalon wieder eine blühende Handelsstadt, erzählte Joseph. Wo Freunde von ihm leben, die uns, dem Herrn sei gedankt, aufnehmen werden. Joseph hat während der Reise viel mit Maria gesprochen und ich hörte immer genau zu. Nur wenn Esau einmal wieder seine Verfolgungsattacken hatte, dann wurden des Joseph seine spannenden Erzählungen von lautem Ochsenwehklageschreien unterbrochen.
Ich lieβ mir das alles blitzschnell durch den Kopf gehen und wackelte dabei nervös mit den Ohren, schüttelte dann aber entschieden den Kopf. Unser Herrgott und seine Engelscharen werden schon gefälligst dafür Sorge tragen, dass dem Weltenkönig kein Haar gekrümmt wird und wir von den Soldaten des Herodes nicht entdeckt werden. Wir werden heil nach Ascalon kommen.
„Hier können sie unmöglich sein!“, erklang die barsche Stimme eines Soldaten. „Sieh mal das Spinnennetz über dem Eingang! Das ist alt! Last uns keine Zeit mit unnötiger Suche hier verschwenden und weiterreiten.“ „Der Regen hat alle Spuren verwischt“, beklagte sich ein weiterer Soldat, während sie sich entfernten. „ Sie müssen die südliche Karawanenstraβe genommen haben. Dort werden wir sie schon finden.“ Die Stimmen der beiden Soldaten entfernten sich.
Das war ein groβes Aufatmen. Jetzt begreife ich den Regenbogen, der uns heute Morgen entgegen leuchtete, als wir das Gebirge herunter kamen. Die Engel werden es haben regnen lassen, um unsere Spuren zu verwischen und die Spinne hat uns vor den Häschern des Herodes mit ihrem Netz gerettet.
Erzengel Gabriel verkündete mit fester Stimme: „Zeit zum Aufbruch, denn bei Dunkelheit sind die Tore der Stadt geschlossen.“
Beim Ausgang der Höhle geschah etwas Seltsames und davon möchte ich gerne berichten: Das Jesuskind streckte die Hand zur Spinne aus, die genau in der Mitte des Netzes thronte und malte ihr ein Kreuz auf den Rücken! Wie? Ihr glaubt mir nicht? Oh ja, ein Wunder geschah damals in dieser Höhle. Das Kreuz blieb auf der Spinne haften. Es war das erste Wunder und es werden noch andere folgen, ihr werdet euch noch wundern…
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Yeshe Tsogyel -Lady of the Lotus-Born VIII Century-Tibet
Erzengel Gabriel trieb einmal wieder zur Eile an: „Wenn wir es bis zum späten Nachmittag schaffen an das Stadttor von Ascalon zu gelangen, noch vor der Dämmerung, lassen uns die Wächter ohne groβe Befragung durch!“
Ich ritt so schnell ich nur konnte und Esau erreichte Ochsenhöchstgeschwindigkeiten. Immer wieder lieβ er sich schnaufend über Moshe Dayans seinen Soldaten aus, die auch so schnell waren wie wir und dadurch Israel gerettet hätten. Ich lieβ ihn reden, dadurch vergaβ er seine Verfolgungsangst vor des Herodes seinem Heer.
Wir kamen an fruchtbarem Land mit Orangen und Feigenhainen vorbei, da deutete Joseph aufgeregt nach vorne. Die Türme der Stadt Ascalon zeigten sich in der Ferne. Der Boden wurde sandig, Palmenoasen waren wie einzelnen Perlen in dieser Landschaft aus Sanddünen verstreut worden und die Palmenwipfel glitzerten im Nachmittagslicht.
Später als die Sonne am Untergehen war, ritten wir einer Stadt mit rot glühenden Kuppeln und Dächern entgegen und so etwas Schönes hatten meine Augen noch nie erblickt! Am Stadttor gelangen wir unauffällig in der Menge der Menschen, die von ihren Feldern nach Hause zurück kehrte, hinein nach Ascalon.
Ich war sehr aufgeregt und hörte dem Joseph zu, wie er einen Straβenhändler nach dem Hause von Ruben und Mirjam fragte. Maria war müde von der anstrengenden Reise der letzten Tage. Wir hatten Glück, das Haus von Ruben befand sich in allernächster Nähe, neben dem Brunnen, auf den der Händler zeigte. Oh Ascalon du prächtige Stadt mit hundert Brunnen! In der Ferne konnte ich das Meer sehen, auch das hatte hatten meine Augen noch nie zu Gesicht bekommen. Ich konnte nur noch staunen, über das, was sich meinen Augen darbot.
Oh Ascalon, du schöne Stadt mit liebreizenden Eselinnen. Sie liefen mir überall über den Weg, aber ich dachte immer nur an Dalila, meine groβe Liebe in Bethlehem, die ich so bald nicht wiedersehen werde. Als mir diese Gedanken kamen, da wurde es mir schwer ums Herz…
„Sei nicht traurig, Benjamin! Du wirst Dalila eines Tages wiedersehen…“, hörte ich die tröstende Stimme von Erzengel Gabriel.
„Wir waren am Haus von Ruben angekommen. Es war ein prächtiger Bau aus hellem Sandstein, so wie die anderen Häuser hier in der Stadt. Joseph klopfte an die Tür, die ein Diener sogleich öffnete und uns hereinbat. Esau und ich wurden in einen Stall gebracht, wo andere Tiere uns neugierig begrüβten und uns sogleich ausfragten. Esau und ich stürzten sich aber zu allererst auf das Futter, denn wir hatten unterwegs kaum Zeit dazu gehabt und waren ausgehungert.
Dann aber erzählte ich unsere Geschichte, vom Jesuskind und dem Licht, dass in die Welt kam. Ich berichtete von Herodes seinen Soldaten und den Kindern von Bethlehem, alle Kinder die unter zwei Jahre alt seien und die durch König Herodes sterben sollten, dann schliefen Esau und ich müde ein.
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„Könnt ihr nicht leiser sein?“, rief ich am nächsten Morgen verschlafen, aber es nützte nichts. Das laute Ziegengemecker um mich war nicht auszuhalten! Wie ich womöglich schon mal erwähnte: ich bin nicht mehr der Jüngste! Die Ziegen wollten gemolken werden und Ochse Esau versuchte ihre Rufe zu allem Überfluss auch noch mit seiner Stimme zu übertönen. Vielleicht wisst ihr nicht, dass Ochsen eine ganz schön laute Stimme an den Tag legen können? Und Esau meinte, es sei ja auch bereits Tag und klärte alle Tiere im Stall über Moshe Dayans sechs Tage Krieg auf: „Moshe Dayan wird einmal sagen: Kein Jude soll sagen, dass wir am Ende der Straβe angelangt sind“, erscholl es mit lautem Muh-Rufen. Ich fragte mich wo denn die donnernde Stimme von Erzengel Gabriel geblieben sei, der normalerweise Esau zur Raison rief. Anscheinend war Gabriel bei der heiligen Familie, während ich mir das hier über Moshe Dayan zum so und so wievielten Mal anhören musste!
„Es reicht!“, rief ich so laut ich nur konnte. „Moshe Dayan lebt erst in zweitausend Jahren, du Trottel vor dem Herrn!“ Da verstummten sogar die Ziegen, aber leider nur für kurze Zeit, dann ging das Gemecker erneut los. Esau schwieg nachdenklich und das war gut so. Ich drehte mich auf die andere Seite und versuchte wieder einzuschlafen. Vergeblich, jetzt begannen nämlich die vier anderen Esel im Stall, den Esau über Moshe Dayan auszufragen. Ihr müsst wissen, dass Esel sehr kluge Tiere sind. Der Ausdruck „Dummer Esel ist völlig falsch gewählt von den Menschen. Ein dummer Esel, das ist ein Mythos!
„Wie haben die Soldaten das nur geschafft, in sechs Tagen über den Sinai?“, hörte ich gerade die Eselin Martha fragen. Eine sehr liebreizende Eselin ist sie ja, dachte ich ein wenig amüsiert. Meine Laune wurde merklich besser und ich lächelte sogar in dieser noch frühen Morgenstunde. „Ich war schon in Ägypten“, fuhr Martha fort. „Die Reise hat vier Wochen gedauert bis zum Nildelta.“ „Nildelta?“, fragte Esau. „Was ist das?“ Wir wurden vom Stallknecht unterbrochen, der hereinkam um die Ziegen zu melken. Dann bekamen wir frisches Futter, an dem wir es uns gütlich taten. Wir waren noch nicht damit fertig, als Erzengel Gabriel herein schwebte, gefolgt von der heiligen Familie.
„Wir brechen auf!“ rief der Engel. „In Bethlehem ist ein Mordanschlag auf alle Kinder unter zwei Jahren verübt worden. Und wie ein Bote berichtete, wird Herodes sich Zugang nach Ascalon durch die Römer verschaffen. Askalon ist die Geburtsstadt des Herodes. Wir sind hier nicht mehr sicher!“ Ruben und seine Frau waren auch hinzugekommen. Alle standen da mit besorgter Miene. Ruben schenkte der heiligen Familie noch Proviant für die Reise, dann hieβ es eiligst Abschied nehmen.
Wir passierten das Stadttor und kamen auf die groβe Karawanenstraβe, die am Meer entlang nach Gaza führte. Nachdem wir das ausgetrocknete Flussbett des Schiqumah durchquert hatten, wurde das Land trocken. Links gab es und weit und breit nur noch Sanddünen und rechts glitzerte das Meer, auf das ich immer wieder blickte, so fasziniert war ich von der Schönheit des unendlichen Blaus.
Noch am Frühen Morgen, war der Ritt erträglich. Das Jesuskind schlief in seliger Ruhe und Joseph schritt neben Esau. Mein GPS meldete sich und verkündete mit sanfter Stimme: „Nur ein halber Tagesritt bis zur Stadt Gaza.“
Esau begann erneut mit seinen Verfolgungsattacken und verkündete laut vernehmlich, er höre Waffengeklirre in weiter Ferne und die Legion des Herodes habe uns im Visier! Da Erzengel Gabriel aber, Gott sei es dem Herrn sei Dank, dazu schwieg, kümmerte ich mich nicht darum und hörte dem Joseph zu, der Maria von Gaza erzählte, Gaza, die Feste , die Starke genannt, wo König Salomo einst herrschte. Viele Herrscher wechselten, berichtete Joseph. Von den Babyloniern, den Assyrern, Ägyptern, den Persern und dem griechischen Alexander, der Gaza völlig zerstörte. Von den Römern wurde die Stadt erneut aufgebaut. Ich spitzte aufmerksam meine Ohren, damit mir nichts entginge und musste immer und immer auf das Meer hinaus blicken, auf diese grenzenlose Weite in tiefem Blau.
„Sie kommen und sie gehen!“, erklang es donnernd vom Himmel. „Mauern, Paläste und Türme zerfallen und die Welt zieht ihren weiteren Gang.“ Erzengel Gabriel sprach eine tiefe Wahrheit aus, als er fortfuhr: „Der Weltenkönig, der von dir Benjamin, nach dem Lande Ägypten getragen wird. Der Jesus Christus aber, wird herrschen auf dieser Welt, bis an das Ende aller Tage!“
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Die Sonne stieg höher und höher und brannte auf uns herunter. Esau beschwerte sich, dass er Durst habe. Tagelang waren wir auf der Phillisterstraβe in Richtung Ägypten unterwegs. So hieβ die groβe Karawanenstraβe noch vor der Besatzung von den Römern. Heute wird sie wird Via Maris genannt. Nachdem wir Gaza und Raphia hinter uns gelassen hatten, wurde es immer unwirtlicher.
„Jetzt hast du deinen Sinai!“, rief ich Esau zu. Denn die Karawanenstraβe führte wohl durch die Sinai Wüste, nur nicht durch die Berge, sondern am Meer entlang und es gab nichts als verwehte Sanddünen und ausgetrocknete Salzseen.
Einmal, als mein Durst zu groβ war, lief ich geschwind zum Meer um Wasser zu trinken, musste enttäuscht davon lassen, das Wasser war salzig und machte noch mehr Durst. Kein Baum und kein Strauch waren da, um Schatten zu spenden. Nur Sand und Salzlagunen.
Da erschien mir eine Palmenoase mit Brunnen voller köstlichem Wasser! Ich konnte mich nicht mehr halten und lief so schnell ich konnte in die Richtung der Oase, gefolgt von Esau.
„Halt!“, ertönte die Stimme Gabriels vom Himmel. Ich aber lief weiter, so schnell mich meine Füβe trugen.
„ Halt sofort ein, Benjamin. Das ist eine Fata Morgana!“, rief Erzengel Gabriel. „Seid gewarnt, Benjamin und Esau! Dort, wo euch Palmenoasen mit frischen Wasserquellen erscheinen, ist in Wirklichkeit nichts als getrocknetes Salz. Keinen Fuβ dürft ihr dort hinsetzten, ihr würdet durch das Salz durchbrechen und versinken und dann jämmerlich zu Tode kommen. Was ihr seht, sind Luftspiegelungen von einer Oase, die viele Tagesritte entfernt ist. Wenn ihr nur einen Schritt weiter reitet, geht ihr ins Verderben!“
„Das glaube ich nicht“, entgegnete ich. „Siehst du nicht die schattigen Dattelpalmen, die sich im sanften Wind wiegen und die Quellen voller Wasser?“
„Halt!“, rief Gabriel.
Aber zu spät! Der Boden unter mir begann sich zu bewegen und ich brach mit dem vorderen Huf ein. Ich erstarrte auf der Stelle. Was sollte ich auch sonst tun? Ich wusste, ich war zusammen mit Maria und dem Jesuskind in allergröβter Gefahr. Der Boden gab nach, es war unter der Salzkruste eine tückische schlammige Brühe versteckt, die mich zu verschlingen drohte…
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„Beweg dich nicht, Benjamin!“, gebot mir der Engel.
Und dann schien es, als verginge eine endlose Zeit, bis Joseph endlich angerannt kam. Ich hatte noch nie in meinem ganzen Leben so viel Angst, wie in diesem Augenblick und dachte an meine geliebte Eselin Dalila. Wenn ich schon sterben muss, so wenigstens in Gedanken an sie, dachte ich, während der Schlamm mich langsam in die Tiefe ziehen wollte.
„Halte durch, Benjamin. Joseph wird Maria nun ein Seil zuwerfen. Beweg dich nicht!“
Und so war es. Joseph warf das Seil zu Maria, das sie an mir festmachte. Darauf band Joseph das andere Ende dem Esau um. Esau der gute alte Freund zog mich langsam raus. Esau, über den ich die letzten Tage oft ärgerlich war und ungerecht behandelt hatte. Ich schämte mich und wollte Esau nie mehr beleidigen und ihn einen Trottel rufen. Endlich hatte ich wieder festen Boden unter den Füssen. Ich blickte zu Maria. Sie sah mich ernst an, aber sie war nicht böse, nur erschrocken. Das Jesuskind hatte von dem Abenteuer einmal wieder nichts mitbekommen, es trank gerade in vollen Zügen aus der Brust von seiner Mutter und lächelte selig hinauf zum Himmel.
Seufzend machte ich mich erneut auf den Weg. Wenn wir es nach Rhinoculura schaffen, sind wir den Soldaten des Herodes entkommen. Dort wartete auf uns die Grenze Ägyptens und wir wären endlich in Sicherheit.
Aber plötzlich aus heiterem Himmel rief Esau aus: „Dort drüben links, nähern sich die Legionen des Herodes!“ Er blickte aufgeregt zu mir: „Nine o’clock!“
„Nine o’clock?“, fragte ich verdutzt. „Das habe ich noch nie gehört. Was soll das bedeuten?“ „Das ist Englisch und heiβt neun Uhr. Es wird in der Militärsprache angewandt und bedeutet zu meinem linken Huf!“
„Ich wandte meinen Kopf nach links, konnte aber nichts entdecken, auβer den öden, halbausgetrockneten Salzpfannen.
„Ich sehe nichts Esau. Bei aller Geduld, die ich mir vornahm mit dir, aber ich sehe nichts!“
„Esau!“, rief Erzengel Gabriel. „Es handelt sich auch bei dir um eine Fata Morgana. Die Legionen des Herodes sind längst hier durch und durchqueren in diesem Augenblick die Negev Wüste. In der Negev Wüste sind die Truppen und suchen euch.“
Worauf Esau kopfschüttelnd meinte: "Der ausländische Staatsmann, der bereit ist, Israel zu unterstützen, muss entweder ein Idiot oder ein Genie sein.“
„Esau, du sprichst heute in Rätseln“, beschwerte ich mich. „Das war Moshe Dayan der das sagte, nicht ich.“
„Geht das schon wieder los mit dem sechs Tage Krieg, Esau?“, kam des Engels Stimme tadelnd. „Solche unbedeutenden territorialen Sandkastenspiele der Generäle, die sich obendrein als Pyrrhussieg erweisen werden, sind doch einfach nur kindisch!“
Joseph hatte von unserem Gespräch nichts mitbekommen. Er war gerade dabei Maria von unserem nächsten Ziel zu erzählen. Ich spitzte meine Ohren um von Josephs Beschreibungen etwas mitzubekommen: „Rhinoculura ist eine Siedlung die an einem groβen Trockental eines Flussbetts gebaut wurde. In der trockenen Jahreszeit, gibt es kein Wasser im Fluss, es entstehen aber Tümpel um die Palmen zu bewässern. Auch die Tiere haben genügend Wasser zum überleben.“
Oh, wie herrlich! Meine Sinne belebten sich, als ich dies aus Josephs Mund vernahm. Schon bald werde ich von dem kostbaren Nass trinken, dachte ich. Hocherfreut legte ich eine schnellere Gangart an den Tag um bald in Rhinoculura einzutreffen.
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Endlich nach mühsamen Wochen voller Durst und Entbehrungen, lieβen wir die Sinai-Halbinsel hinter uns und erreichten an einer Meeresenge das Festland von Ägypten.
Ägypten! Oh wie ist es wundersam an deinen Wassern entlang zu reiten und von deinem köstlichen Nass zu trinken. Es war, als kämen wir ins Paradies. Noch nie in meinem langen Leben haben Esau und ich so viel Wasser auf einmal zu Gesicht bekommen. Wir tranken und tranken, so viel wie wir nur konnten.
Es war an jenem Tag ein kühler Morgen, die letzten Nebelschleier über dem Nil lüfteten sich. Ich sah die Schwäne über dem Papyrusgras vorüber gleiten, ich erblickte die Möwen am Himmel kreisen und kleine Enten auf dem Wasser schaukeln. Scharen von rosa Flamingos standen am sumpfigen Ufer und Pelikane löffelten mit ihren Schnäbeln geschäftig im Nilschlamm herum. Störche stocherten nach Fröschen. Die Luft roch würzig nach allerlei Pflanzen und der süβe Duft der weiβen Lotosblumen die majestätisch im Wasser schwammen, hing in der Luft.
Wir hatten unser Lager in der Nähe von der Stadt Pi Beseth aufgeschlagen. Da beschlossen Esau und ich ein erfrischendes Bad zu nehmen. Das Jesuskind beobachtete uns und lachte froh, wie wir ausgelassen im Wasser plantschten und prusteten.
„Gebt Acht, Esau und Benjamin!“, kam plötzlich die warnende Stimme vom Himmel. Dieser Spielverderber. Nicht einmal unseren Badespaβ gönnt Gabriel uns, dachte ich gerade, als plötzlich ein riesiges Ungetüm direkt vor mir aus dem Wasser schoss. Es riss sein Maul auf, das so groβ war wie ich selbst es bin. Ich starrte auf angsterregende Zähne und einen tiefen dunklen Schlund, der mich zu verschlingen drohte. Oben aus dem Kopf des Ungetüms schossen Wasserfontänen hoch bis zum Himmel. Kleine Augen musterten mich feindselig.
Ich hatte Angst, aber mir blieb nichts anderes übrig, als ein Gespräch mit dem mir unbekannten Tier zu beginnen, zum fliehen war es zu spät: „Hallo du liebliches Tier. Wie heiβt du denn?“, fragte ich höflich. „Du hast doch sicher schon gefrühstückt, oder?“
„Ich bin das Nilpferd und könnte dich auf der Stelle verschlingen!“, kam es aggressiv zurück. Ich nickte nervös und meine Ohren begannen dabei unkontrolliert zu wackeln, was bei mir nichts Ungewöhnliches in solchen Gefahrensituationen ist.
Doch dann geschah erneut etwas Unerwartetes. Erzengel Gabriel kam heran geschwebt, auf dem Arm das Jesuskind. Das Jesuskind platschte vergnügt in die Hände und lachte süβ. Der Engel beugte sich zu dem Nilpferdungetüm so weit herab, dass das Jesuskind es mit seinen Fingern berühren konnte. Und siehe, das Nilpferd wurde ganz zahm und lächelte. Sein Maul hatte es zugeklappt und nun blinzelten die beiden kleinen Augen zufrieden. „Ich weiβ, dass du seit Jahrtausenden als heilige Göttin und Mutter des Nils verehrt wirst“, sprach Jesus. Ein Wunder! Esau und ich verlieβen fluchtartig das Wasser und retteten uns an das sichere Ufer. Inzwischen waren mehr und mehr Nilpferde aus den Tiefen des Flusses aufgetaucht und umringten das Jesuskind. Alle warteten sie geduldig, von Jesus gestreichelt zu werden und so seinen göttlichen Segen zu erhalten.
Das war ein Wunder, eines der vielen, vielen Wunder, die auf unserer Reise geschahen.
Erleichtert wälzte ich mich mit Esau im trockenen Sand. Dann streckten wir beide uns wohlig aus um ein Schläfchen zu machen. Die Sonne war bereits höher am Himmel aufgestiegen und es versprach ein warmer Tag zu werden.
Ich legte mich in den Schatten einer Palme, in der sich ein paar Vögel versammelt hatten und munter vor sich hin zwitscherten. Genüsslich träumte ich gerade von meiner liebreizenden Eselin Dalila, da ertönte laut die mahnende Stimme des Engels:
„Benjamin! Ihr müsst sofort aufbrechen. Gaius Turranius, der römische Präfekt in Ägypten, hat einigen Soldaten von Herodes Einlass in sein Land gewährt. Die Soldaten werden nicht ruhen und nach euch suchen. Steh auf Benjamin! Die heilige Familie ist immer noch in Gefahr!“
„Wann sind wir denn endlich mal in Sicherheit?“, fragte ich schlecht gelaunt. „Hört das denn nie auf?“
„Moshe Dayan hat seine Soldaten nicht bis hier her senden dürfen!“, beschwerte sich nun auch Esau lautstark. „Nicht einmal im Suez Konflikt. Da kamen die Truppen nur bis El Quantara und Ismailia. In Sharm el Sheik waren sie auch, aber nicht im Nildelta!“
„Esau, so schweig augenblicklich! Von Politik verstehst du nichts, und ich gestehe: auch ich als Engel Gabriel, verstehe davon nur wenig. Auf jeden Fall seid ihr im Nildelta weiterhin in Gefahr. Macht euch sofort auf nach Heliopolis!“
„Heliopolis?“, fragte ich misstrauisch. Ist das etwa wieder so eine Stadt voller Tempel mit Katzen? In diesem Land werden ja sämtliche Tiere als Götter verehrt. Wo befindet sich eigentlich mein Tempel, der heilige Eselstempel?“
Erzengel Gabriel schwieg. Ich folgerte enttäuscht, dass es weit und breit keinen Eselstempel in Ägypten gab.
„Einen Ochsentempel gibt es!“, meldete sich Esau. „Einen Stiertempel, wohl, aber Ochsen? Hm…“ Ich warf Esau einen triumphierenden Blick zu.
„In naher Zukunft wird nur noch ein Gott verehrt!“, klang donnernd die Stimme Gabriels vom Himmel. „Macht euch sofort zum Aufbruch bereit und redet nicht so viel dummes Geschwätz über heilige Tiergottheiten. Was hier in Ägypten anzutreffen ist, das ist dekadent und dem Zerfall geweiht!“
Erzengel Gabriel schien auch nicht gerade gut gelaunt an diesem Tag. So lieβ ich Maria aufsteigen und schwieg. Ich gebe zu, ein wenig beleidigt.
Joseph hatte inzwischen dem Esau die Sachen aufgepackt und weiter führte unsere Reise, quer durch das Nildelta, mit seinen verzweigten Armen und Nebenarmen. Mein GPS mit Dalilas sanfter Stimme meldete sich, was mir ein wenig Trost verschaffte. So versuchten wir, den Soldaten des Herodes abermals zu entkommen.
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Es regnete und regnete ununterbrochen. Der Nil begann zu steigen und überschwemmte das Land. Wir hatten das Nildelta hinter uns gelassen. Endlich, denn ich hatte genug von so viel Wasser. Wir waren alle, auβer dem Erzengel Gabriel, nass. Maria hatte ihren Mantel über sich und das Kind gegeben, aber der Regen bahnte sich seinen Weg… Ich musste schon mehrmals niesen und befürchtete eine herannahende Erkältung und Rheuma. Ich war voller Sorgen, da ich ja nicht mehr der Jüngste bin und es womöglich zu Komplikationen kommen könnte. Gar nicht auszudenken, eine Rippenfellentzündung oder gar eine Lungenembolie…
„Benjamin!“, erschall des Engels Stimme. Ich seufzte schwer. Der Engel las pausenlos in meinen Gedanken, ich hatte überhaupt keine Privatsphäre mehr. Vor allem meine Träume mit der liebreizenden Dalila, die kann er ja auch sehen! Das ist ja richtig peinlich, überlegte ich und dabei lief es mir siedend heiβ über den Rücken. Ich knurrte kurz nach oben zum Himmel.
„Benjamin! Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Durch die Kraft des Jesus bist du verjüngt worden. Und deine Tagträume mit Eselin Dalila, sind ganz normal“, lachte Gabriel.
„Hm… Ich spüre aber ein leichtes Stechen in den Rippen!“
„Ach Benjamin. Du hast sehr viel Einbildungskraft. Siehe dort vorne auf dem Hügel: das ist Heliopolis.“
„Noch drei Stadien bis zur Stadt On“, meldete sich meine liebliche GPS Stimme von Dalila. Ich blieb auf der Stelle stehen und rief verwirrt zu Gabriel hinauf:
„Wo sind wir denn nun wirklich, in Heliopolis oder On?“
„Ach Benjamin. Heliopolis und On, ist das Gleiche. Früher wurde diese Stadt einmal On genannt, heute heiβt sie Heliopolis und dein GPS ist noch alttestamentarisch eingestellt. Es braucht dringend eine Erneuerung auf neutestamentarisch!“
Erzengel Gabriel schien heute bei besserer Laune zu sein, ihm konnte der Regen auch nichts anhaben. Neutestamentarisch, dachte ich und wackelte einmal kurz mit den Ohren. Das leuchtete mir ein mit dem Testament, obwohl ich noch nie etwas von einem neuen Testament gehört hatte, aber der Engel wird’s wissen, vertraute ich und setzte meinen Ritt fort. Der Regen hatte nachgelassen und ein Regenbogen spannte sich vor uns am Firmament, genau über dem Hügel mit dem Tempel der jetzt näher und näher rückte.
Ich lief ein wenig schneller, trotz des leichten Stechen, das ich zwischen den Rippen verspürte. Womöglich hat sich der Engel getäuscht und die herannahende Erkältung übersehen, überlegte ich und dachte, dass ein Halswickel heute Abend wohl angebracht sei und warmer Tee mit Heilessenzen, so wie die gute alte Rebna mich immer versorgt hatte.
Wir betraten Heliopolis vom Westtor aus, das nur noch aus zerfallenen Lehmziegeln bestand. Eine breite Allee aus Sphinxen zur rechten und linken Seite, führte den Hügel hinauf zum Tempel. Die Stadt breitete sich vor uns aus, einsam und verlassen und überall lagen Steine von halb zerfallenen Bauten herum. Nur der Tempel schien unversehrt und stand noch, ein groβer und majestätischer Bau.
„Das ist heiliger Boden!“, sprach Gabriel so laut, dass die Steine rings um uns erzitterten. „Hier war der Anfang der Welt nach der groβen Flut. Aus dem Chaos entstand der Ur-Hügel und das Zentrum von Ägypten.“
Vor lauter Aufregung vergaβ ich sogar meine herannahende Rippenfellentzündung und bestaunte ein wenig ängstlich die Statuen der Sphinxen aus Alabaster, die fast lebendig wirkten und viel gröβer als ich waren. Ein wenig argwöhnisch musterte ich ihre Köpfe, ob sich da was bewegte. Dann wäre ich aber gerannt! Aber sie blieben stumm und reglos. Ich atmete erleichtert auf. Gar nicht auszudenken, von so einer Horde Ungeheuer überfallen und verschlungen zu werden.
Ich blickte zu Esau, ihm erging es nicht anders als mir. Beunruhigt musterten seine Augen die seltsamen Geschöpfe aus Stein, abwechselnd rechts und links.
„Fürchtet euch nicht!“, erklang es einmal wieder von oben. „Hier auf dieser Allee wandelten die heiligen Priester in feierlicher Prozession, gefolgt von der Menge zum Tempel. Die Priester schwangen Kessel mit brennender Holzkohle auf der Weihrauch zum Himmel emporstieg und sangen Lobpreisungen auf den Gott Amun-Re, begleitet vom Klang der Sistren.
Vor uns wuchsen hohe Obelisken in den Himmel, wie ein groβer Wald waren sie angeordnet. Einige der Obelisken waren umgestürzt.
Wir durchquerten den Vorhof des Tempels und kamen auf eine scheinbar undurchdringliche Wand zu. Ein Gefühl von Heiligkeit und Ehrfurcht beschlich mich, als die Sonne plötzlich aus den Wolken hervorbrach und die zwei hohen Obelisken zu jeder Seite der Pylonen am Eingang zum Tempel golden erstrahlen lieβ. Erzengel Gabriel erläuterte:
„Obelisken sind Sonnensymbole, so wie Heliopolis dem Sonnengott geweiht wurde. In zweitausend Jahren, werden diese Obelisken in den groβen Metropolen der westlichen Welt stehen. Städte deren Namen heute noch unbekannt sind wie: Washington, Paris, London und Rom und sie werden diesen Städten groβe Macht verleihen!“
Es war ein gewaltiges Erlebnis, als wir erst zwischen den beiden Pylonen, und dann durch den schmalen Eingang des Amun-Tempels hindurch zu schritten. Auf dem Rücken trug ich die Mutter Gottes und den kommenden Weltenherrscher. Ich fühlte in diesem Augenblick eine seltsame Kraft, eine Kraft wie aufrichtend, wie erwachend aus einem tiefen Traum. Wir hatten das Innere des Tempels betreten, mit Säulen, unendlich hoch zum Himmel emporgereckt und erhaben über uns, dass ich mir so klein vorkam. Es war, als stände ich an einer Schwelle, wo Nacht und Tag sich ineinander verweben. Dort war es als hörte ich furchterregend die gewaltige Stimme Gottes umgeben von den Scharen seiner Engel. Wie ein kosmischer Gesang hörte es sich an. Ich blickte zu Maria und dem Jesuskind und sah den Glanz in seinen Augen. Augen so strahlend wie Sterne und ein himmlisches Lächeln auf seinen Lippen, wie verkündend das herannahende Reich, dass nicht von dieser Welt ist. Oh, es war ein bewegender Eindruck! Unvergesslich eingeprägt in meine Erinnerung.
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Die Nacht hatte sich über Heliopolis gesenkt und der Regen war zurückgekehrt. Wir hatten Unterschlupf im Inneren des Amun- Tempels gesucht, in der der Nähe des Allerleiligsten, wo wir nicht nass wurden und Joseph ein Feuer entzünden konnte. Die heilige Familie suchte Wärme in der Nähe des Feuers und war eingeschlafen. Vom Jesuskind ging ein Strahlen aus, es war wie damals in Bethlehem, als das Licht in die Welt herunter kam. Aber heute war es wie gleiβendes Sternenlicht.
„Der Sonnengott stieg auf einer Barke vom Himmel und es ist der Weg aus dem Meer zum festen Land“, richtete Gabriel sich an mich, denn Esau war bereits eingeschlafen.
„Der Sonnengott?“, fragte ich den Engel. „Kannst du nicht herunter kommen und dich neben mich setzen, um es mir zu erzählen. Alle schlafen schon und ich würde deine Gesellschaft überaus gerne in Anspruch nehmen.“
„Du müsstest geblendet die Augen schlieβen. Ich bleibe besser hier oben sitzen.“
„Wer ist der Sonnengott?“, wollte ich wissen.
„Der Sonnengott Amun-Re, das ist der Christus Jesus, den die Eingeweihten im Auβen sahen. In der Sonne sahen die Priester ihn und haben ihn verehrt. Der Christus, der sich aus dem Kosmos zur Erde näherte, den sahen die Hohepriester kommen durch die Jahrtausende.“
Ich lauschte konzentriert der Erzählung Gabriels und ich gestehe, für einen Esel war das nicht einfach. Um mich wirklich voll und ganz zu konzentrieren, legte ich die Ohren an.
„Und die Barke, warum wurde der Sonnengott auf der Barke auf dem Nil herumgefahren?“
„Das Bild der Barke, das ist der Weg des Menschensohnes vom Meer der wogenden Empfindungen, den Urkräften des Lebens, hin zum festen Land. Und dieser Weg ist der Christusweg vom Wasser auf das Land, zum Berg, auf den Berg. Es ist auch der Weg auf den der Christus die Menschen ruft. Die Jünger des Christus werden seinem Weg folgen. Vom See kamen die Fischer bis aufs Land, dann ins Haus und wieder auf den Berg.“
„Das versteh ich nicht!“, warf ich kleinlaut ein. „Das ist auch hier nicht der Ort, auf diese Bilder einzeln einzugehen. Es sind die Stufen der Bewusstseinsentwicklung!“
Ich nickte verlegen. Des Engels Worte pflanzten sich tief in mein Herz, auch wenn ich nicht den ganzen Sinn verstand, denn viel Verstand besitze ich nicht, dafür aber viel Herz.
„Christus wird einmal in ein Buch eingesperrt werden“, fuhr Gabriel fort. Ein Buch mit Siegeln, und nur wenige werden es verstehen. Es wird aber eine Zeit kommen, wo diese Siegel gesprengt werden und dann wird der Blick frei für das kosmische Wesen des Christus und seinem Schreiten durch die Jahrtausende.“
In meinem Herzen wurde es auf unerklärliche Weise warm und ich fühlte eine Liebe, so grenzenlos und unendlich, dass ich von Schauern ergriffen wurde. Da begann Gabriel erneut und fuhr fort:
„Es wird eine Zeit kommen, da werden die Menschen nur über jene drei Jahre des Jesus Christus reden, sie sind auch das Herzstück der Welt-Geschichte. In diesen drei Jahren hat sich ausgelebt und wird noch ausgelebt werden, eine unerhört starke Verdichtung. Ein Urbild von allem was ist und sein wird!
Das was auf ein paar Blatt Papier eines Tages über den Christus niedergeschrieben wird, ist nicht alles. Es geht darum, was in die Herzen der Menschen eingeschrieben wurde und da wird hinter Amun-Re und Apollo ein viel Gröβerer sichtbar der spricht: «Ehe denn Abraham war, Bin Ich.»
Benjamin?“, fragte Gabriel leise.
Aber ich gestehe, ich war eingeschlafen. Die Worte des Engels waren zu mächtig, und das Feuer seiner Worte brannte in meinem Herzen. Seine Inszenierung eines weit überspannenden Bogens der Jahrtausende, von der Vergangenheit bis in die Zukunft der Menschheit, war zu gewaltig und machte mich schwindelig. Ich schloss die Augen und wurde von einer groβen Welle aus Licht erfasst, hinaus auf ein weites Meer geworfen. Dort saβ ein junger Mann in einem Boot und ich erkannte ihn am Sternenglanz seiner Augen, es war Christus.
“Sustain that consummation of visionary experience and pleasure And on the wings of perfect creativity you cross to the other side; Running and jumping in the meadow of visionary appearances, You fly into the sky matrix and vanish.”
Yeshe Tsogyel -Lady of the Lotus-Born VIII Century-Tibet
Es war im Morgenrauen, als mich die Stimme des Engels weckte: „Benjamin!“ „ Fang jetzt bloβ nicht damit an, wir müssen aufbrechen“, murmelte ich verschlafen. Es war gestern ein anstrengender Tag und ich habe eine anstrengende Nacht hinter mir!“
„Benjamin!“#
„Eine wunderbare, taghelle Nacht war es gewesen, dort drauβen auf dem weiten Meer im Gespräch mit Jesus Christus. Er hat mir alle Fragen beantwortet und mein Herz ist hoch beglückt darüber…“
„Benjamin! Ihr dürft keine Zeit verlieren und sollt sofort aufbrechen.“
Ich erhob mich und jammerte erst einmal vor mich hin, aber Joseph hatte dem Esau bereits die Sachen aufgepackt und das hieβ, aus dem Tempel hinaus und weiterreiten bis Babylon. So nannte sie Joseph, die kleine Siedlung auf dem ostseitigen Ufer des Nils, dort sollen sich Hebräer angesiedelt haben. Hanna und Ismael leben dort, die uns aufnehmen werden.
Es versprach heute ein klarer Tag zu werden. Ich sog die Luft durch meine Nüstern. Ein frischer Wind war aufgekommen, der zunehmend meine Sinne erweckte und den Duft von den nahen Akazien und der Maulbeerbaumhecke aus dem Hof des Tempels herüber brachte.
Schweigend blieben wir vor dem hohen Benben – Stein im Hof stehen. Erneut beschlich mich diese heilige Stimmung wie gestern. Die aufgehende -Sonne ging genau über der oberen Spitze auf und vergoldete sie. Es war, als nähme in diesem Augenblick der Sonnengott Amun-Re dort oben Platz.
Der Jesusknabe deutete voller Wonne mit dem Händchen hinauf und jauchzte. Ein Jauchzen voller Seligkeit, es brach das vorhergehende Schweigen und machte einer groβen Freude in uns allen Raum.
„Ein halber Tagesritt nach Babylon!“, erklang die wohltuende GPS Stimme meiner liebreizenden Dalila. „Bitte Nilabwärts, aber nehm die Route durch die Wüste, der Nil ist weit über seine Ufer getreten.“
Seufzend machte ich mich auf den Weg mit Esau, hinter dem Joseph schritt.
„Esau, ich habe heute Nacht mit Jesus Christus im Traum gesprochen“, rief ich ihm vielsagend zu. „Ich habe groβes Vertrauen in alles und mich selbst!“ „Über was habt ihr gesprochen?“ „Wir sprachen über die Geheimnisse des Universums, die Evolution, auch über die Tiere und die Zukunft der Menschheit!“ „Und? Erzähl bitte, lieber Benjamin.“ „Was soll ich erzählen?“ „Die Geheimnisse…“ „Hm…Leider habe ich alles vergessen, darum sind und bleiben es ja auch Geheimnisse“, grinste ich Esau an. „Sobald ich an unser Gespräch heute Nacht denke, fühle ich eine groβe Wärme in meinem Herzen und so ein unsagbares Glücksgefühl. So als wüsste ich, dass ich nie allein bin.“
Ausgelassen machte ich einen kleinen Luftsprung, drehte meinen Kopf zum Jesuskind und zwinkerte ihm zu. Der kleine Knabe schenkte mir ein Lächeln und seine Augen blickten mich dabei an, als wüssten sie genau, was sich heute Nacht im Traum zugetragen habe. Auch Maria lächelte wohlwollend und streichelte mir über das Fell. Maria kannte mich inzwischen zur Genüge und wusste sich so gut es ging festzuhalten, wenn ich mal wieder in die Luft sprang.
„Benjamin!“, ertönte es tadelnd vom Himmel. „Ich reite ja schon wieder normal!“, rief ich vergnügt hinauf und machte mich auf den Weg in die Wüste. „Four o’clock!“ warnte Esau aufgeregt. „Bei unserem Herrn im Himmel, was ist four o’clock?“, fragte ich aufgebracht. „Geht das schon wieder mit Moshe Dayan los?“
„Das heiβt vier Uhr und bedeutet rechts vorne nähert sich ein Ungeheuer!“ „Gabriel!“, rief ich sofort hoch zum Himmel. „Rette uns!“ „Was fürchtet ihr euch wegen eines so wunderschönen Löwen?“, fragte Erzengel Gabriel erstaunt.
Der Löwe hatte sich uns genähert und beschnupperte mich neugierig. Ich rührte mich nicht von der Stelle, nur meine Ohren begannen unkontrolliert zu wackeln, wie ich bereits berichtete, ein leidiges Problem bei mir in Gefahrensituationen.
„Guten Morgen der Herr…“, versuchte ich es erst mal. Da fiel mir auf, dass wohl besonders in den Morgenstunden der Esau und ich solche Begegnungen mit Ungeheuern haben. „Guten Morgen“, antwortete der Löwe bereitwillig. Er blickte zum Jesuskind hinauf und lächelte. Das Jesuskind jauchzte vor Freude und streckte seine Hand nach ihm aus, worauf der Löwe die Hand ganz vorsichtig ableckte und sehr merkwürdige Geräusche von sich gab, man könnte sie als das Schnurren einer Katze beschreiben. Jesus grub seine Finger in das Fell an seinem Hals.
„Benjamin!“, rief Erzengel Gabriel. „Setzt unverzüglich euren Ritt fort. Der Löwe wird euch zum Schutz vor Wegelagerern begleiten!“
Und so war es auch, nur blieb es nicht bei dem Löwen. Mehr und mehr Tiere gesellten sich hinzu: drei Wüstenfüchse, einige Gazellen, ein Rudel Hyänen, mehrere Wildschweine und Schakale. Oben am Himmel zogen zwei Fischadler ihre Kreise, ab und zu kam einer von ihnen herunter und setzte sich dem Esau auf den Rücken, und während er zum Jesuskind blickte, stieβ er gurrende Laure aus. Die seltsamsten Geräusche gaben die Tiere von sich. Man könnte es als eine Art irre Kakophonie beschreiben, was da abging!
Wir aber hatten uns an unsere Begleitkolonne gewöhnt und trabten munter durch die karge Sandlandschaft. Ab und zu wuchs ein wenig Halfagras und hie und da gab es mal einen Dornenstrauch, aber das war auch alles in dieser steinigen Wüste.
Da blieb Esau plötzlich stehen und meldete sich zu Wort. Laut vernehmlich rief er zu Erzengel Gabriel hinauf:
„Diese Stadt Wasch, die es einmal geben wird, war Moshe Dayan dort schon mal?“ „Meinst du Washington?“
Esau stieβ ein laut vernehmliches Muh aus, was so viel wie ja heiβt und unsere begleitende Tierkolonne, zu noch ungewöhnlicheren Lauten verleitete.
„Du kannst ruhig weitergehen, Esau“, erklang es donnernd vom Himmel herab, worauf alle Tiere erschrocken schwiegen. Heute bei dem schönen Wetter, schwebte der Engel besonders hoch und fuhr geradezu erheitert fort:
„Moshe Dayan war in Washington, er statte einen Besuch dem Pentagon ab.“ „Pentagon?“, fragte Esau aufgeregt. „ Pentagon, ist das Verteidigungsministerium, Esau. Höre endlich mit deiner Fragerei über Dinge die du nicht verstehst auf!“
Das Fragen konnte Esau vergessen, er musste schweigen, denn die übrigen Tiere riefen nun um die Wette und es war eine wahre Wonne, das Lachen der Hyänen und Schakale so nah zu erleben, ohne angegriffen zu werden. Aber auch die Wildschweine lieβen sich nicht foppen. Es wurde gegrunzt, geknurrt, geschnurrt und geheult, untermalt von den kehligen spitzten Schreien der Adler, hoch oben in den Lüften. Es kamen noch einige neugierige Klapperstörche vom nahen Nil herbeigeflogen, die aufgeregt mit ihren Schnäbeln klapperten…
Ach ihr glaubt mir nicht? Lasst euch gesagt sein, dass alles wahr ist, was ich Benjamin der Esel euch erzähle.
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Yeshe Tsogyel -Lady of the Lotus-Born VIII Century-Tibet
Und dann tauchten sie plötzlich auf in der Ferne: seltsame Gebilde, die wie spitze Lanzen in den Himmel ragten. Eine starke Erregung überfiel mich, als wir uns langsam näherten. Dort wo sie standen, war nichts als Wüstensand und der schmale Schilfstreifen am Ufer. Ich blickte zu diesen Kolossen aus Stein, die wie vom Himmel gefallen wirkten, rätselhaft und Fragend in mir hinterlassend. „Das sind Pyramiden“, erklärte Joseph. Er wandte sich zu Maria um und deutete zur gröβten von ihnen. „Dort soll ein Pharao begraben sein.“
Ich konnte aus der Ferne trockene Wege und zerfallene Steine ringsum die Bauten erblicken. „Wie konnten die Menschen so etwas überhaupt bauen?“, fragte Maria. Und ich gestehe, das konnte ich, Benjamin mir auch nicht erklären. Die Pyramiden waren so hoch, als wollten sie den Himmel erreichen. Ich starrte zu den Bauten herüber.
„Wir dürfen keine Zeit verlieren!“, warnte Gabriel und trieb uns zur Eile an.
Nachdenklich blickte ich zurück und kam zu dem Schluss, dass diese Pyramiden aussehen, als seien sie vom Himmel gefallen.
Endlich erreichten wir Babylon und verabschiedeten uns von der Tierkarawane. Bei Josephs Freunden, Hanna und Ismael blieben wir viele Wochen. Maria kleidete sich nach ägyptischer Art und so auch Joseph um nicht aufzufallen. Die meiste Zeit blieben die beiden im Haus versteckt, aus Angst vor den Häschern des Herodes erkannt zu werden.
Seit vielen Tagen waren wir mit dem Boot unterwegs, das uns den Nil Flussabwärts bringen sollte. Esau und ich bestaunten die Landschaft die an uns gemächlich vorüberzog. Ich sah die fruchtbaren Felder vorübergleiten, auf denen sich die Bauern zu schaffen machten. Ich erblickte im Morgendunst die zerfallenen Tempel der alten Königstadt Memphis, wie ein zart rosafarbenes Traumgebilde.
In der Ferne konnte ich die Berge erkennen, die das fruchtbare Land vor dem Wüstensand schützt und so Jahrtausende lang dem Land Ägypten Reichtum und Fruchtbarkeit schenkte. Die Segel unseres Bootes flatterten leicht im Wind, es kamen uns Boote entgegen, die Matrosen winkten und riefen sich ein paar Worte zu. Die heilige Familie hatte unter einem Schattendach Platz genommen und ruhte aus. In der Nacht machte unser Boot immer am sicheren Ufer fest. Dann blickte ich mit Esau hinauf zu den Sternen und zeigte ihm den Sirius Stern, dem groβen Hund vom Sternbild des Orion. Am frühen Morgen setzte unser Boot die Fahrt erneut fest.
Ich lag neben Esau am Heck des Schiffes und wir ruhten uns aus. Während die Landschaft mit ihren Palmen, Feldern und Sandbänken an mir vorbeizog, dachte ich an die letzten Wochen zurück…
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Yeshe Tsogyel -Lady of the Lotus-Born VIII Century-Tibet